Warum ich Biochemie kein zweites Mal studieren würde

Mann mit Zigarette streichelt Hund in Decke – Schwarzweißaufnahme mit Emotion

Ich habe Biochemie studiert. Promoviert. Und ein Buch darüber geschrieben. Doch zur Jubiläumsfeier bin ich nicht gefahren – aus gutem Grund. Hier ist meine Geschichte.

55 Jahre Biochemie Hannover

Vor Kurzem fand an der Medizinischen Hochschule Hannover eine große Jubiläumsfeier statt. Der elitäre Studiengang Biochemie feierte seinen 55. Geburtstag. Alle Alumni wurden eingeladen – die Einladungen wurden bereits ein Jahr im Voraus per E-Mail verschickt.

Auch ich erhielt eine Einladung. Ich kontaktierte meine ehemaligen Kommilitonen, fragte nach, ob sie teilnehmen würden. Alle fanden die Idee witzig, dachten kurz darüber nach – und ein Jahr später war keiner von uns nach Hannover gereist.

Warum?

Einige hatten gerade Familienzuwachs bekommen, für andere war die Anreise zu weit, und die Urlaubstage waren knapp bemessen. Auch ich blieb in Köln – obwohl ich ein halbes Jahr zuvor verbindlich zugesagt hatte und sogar im Jahr 2025 ein Buch mit Kurzgeschichten veröffentlicht habe: „Ein Biochemiker kann alles – Zwischen Labor und Leidenschaft“.

Warum bin ich also nicht gefahren?

Dafür gab es mehrere Gründe:

Erstens: Nachdem meine Freunde abgesagt hatten, wollte ich nicht allein unter Fremden an der Universität stehen.
Zweitens: Ich bin aktuell auf Jobsuche und musste einen Tag später zu einem Vorstellungsgespräch nach Österreich reisen.
Drittens: Und das ist der wichtigste Punkt – ich hatte Angst, dass ich als angehende Speakerin bei dieser Feier ein Mikrofon in die Hand gedrückt bekomme und die Veranstaltung mit einer allzu ehrlichen Rede beende. Selbst wenn ich nur ein einziges Wort sagen dürfte, hätte ich wohl laut „LAUFT!“ gerufen – und wäre gegangen. Das wollte ich nicht.
Schließlich hatten viele Menschen Mühe und Arbeit in die Organisation dieses Events gesteckt und sich vermutlich darauf gefreut.

Die Sache mit Biochemie ist folgende:

Wenn Sie mich fragen, wie ich das Studium fand – dann können Sie mein Buch lesen.
Und: Sie werden von mir nicht das hören, was Sie vielleicht erwarten.

Rückblickend würde ich mich nie wieder für Biochemie entscheiden.

Warum?

Nicht, weil das Studium schlecht konzipiert oder uninteressant war – das war es nicht.

Aber ich bin der Meinung, dass ein Studium auch Raum fürs Leben lassen sollte.
Das war im Biochemie-Studium nicht der Fall.
Und auch während der anschließenden Promotion hat man de facto kein Leben.

Ich hatte eine Woche Urlaub pro Semester – also zehn Tage im Jahr. Das ist weniger als bei einem regulären Job.
Ich hatte weder Geld noch Zeit zum Reisen, für Sport, für andere Kurse außerhalb der Biochemie. Ich hatte keine Gelegenheit, Menschen außerhalb des Studiums kennenzulernen. Ich habe sogar einen Mitkommilitonen gedatet. Mein Leben spielte sich in einer Box ab – bestehend aus Biochemie, meiner Familie und dem Studentenwohnheim.

Und der ganze Aufwand? Hat sich nicht gelohnt.

Die einzigen, die von diesem Studium profitieren, sind die Professoren, Institute und Pharmakonzerne.
Sie bekommen hochqualifizierte, hochspezialisierte Fachkräfte – zum Spottpreis.

Die Realität nach dem Studium

Die Bezahlung an Universitäten und Forschungsinstituten ist schlecht.

Die Zahl der Industrie-Stellen ist begrenzt.

Was soll ein promovierter Biochemiker also machen?

  • Biotechnologie? Kann er nicht – denn er hat nie gelernt, große Anlagen zu steuern.
  • Pharmakonzerne leiten? Geht nicht – ihm fehlt die Management-Ausbildung.
  • Unternehmensberatung? Kaum möglich – zu wenig BWL-Kenntnisse.
  • In der Pharma-Produktion arbeiten? Nur mit zusätzlichen Qualifikationen und idealerweise einem Pharmazieabschluss.
  • Klinische Studien leiten? Auch hier sind Zusatzqualifikationen nötig, idealerweise ist man Mediziner.

Ein Biochemiker wird im Grunde nur für Laborarbeit und -leitung ausgebildet.
Wenn man das nicht machen will?

Tja. Dann muss man selbst zusehen, wie man im Leben klarkommt.

Daher mein Tipp an alle, die mit dem Gedanken spielen, Biochemie oder Biologie zu studieren:

Stellt euch die richtigen Fragen:

  • Wozu?
  • Was willst du am Ende damit machen?
  • Wo genau willst du arbeiten?
  • Welche Qualifikationen brauchst du dafür?
  • Wie viel willst du verdienen?

Meine Alternativen für Biochemie:

  • Du willst in die Pharma oder Forschung? Studiere Medizin oder Pharmazie.
  • Du willst mit Anlagen arbeiten? Studiere Biotechnologie oder Maschinenbau.
  • Du willst Unternehmen managen oder beraten? Studiere BWL.
  • Du willst Patentanwalt werden? Studiere Jura.

Baue dir bereits während des Studiums passives Einkommen auf.
Treibe Sport.
Suche dir einen Nebenjob – idealerweise einen, der dich auch beruflich voranbringt.
Studiere ruhig länger, aber sammle relevante Erfahrungen. Lerne, wie die Wirtschaft funktioniert.

Und: Baue früh eine Beziehung auf. Mit zunehmendem Alter werden Menschen komplizierter – und eigenwilliger.

Fazit:

Mach all das.
Und: Wiederhole nicht die Fehler deiner Vorgänger.

Was denkst du über spezialisierte Studiengänge wie Biochemie? Schreib’s mir in die Kommentare oder per Mail.

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